Häufig wird propagiert, Cannabisöl könne Krebs heilen. Ein Name, der in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist der von Rick Simpson, einem Kanadier. Der Legende nach hatte Simpson 2002 eine Hautkrebs-Diagnose erhalten. Er heilte sein Krebsgeschwür mit dem – angeblich von ihm selbst entwickelten – Rick Simpson Öl, kurz RSO. Rick Simpson Öl enthält THC in hohen Anteilen. Es ist also in Deutschland illegal und gilt – im Unterschied zu medizinischem CBD Öl – als Rauschdroge.
Krebserkrankungen ohne jegliche ärztliche Therapie und Überwachung allein mit RSO heilen zu wollen, kann nur als äußerst risikoreich beschrieben werden. Bisher sind keine medizinischen Belege gefunden worden, dass Rick Simpson Öl ein Wundermittel ist, oder einen Durchbruch bei der Krebsbehandlung bedeutet. Das Gegenteil ist eher der Fall. Dank Simpsons Aussagen und Buchveröffentlichungen glauben immer mehr Krebspatienten, ganz auf schulmedizinische Behandlungen verzichten zu können.
Wer ist Rick Simpson?
Der Kanadier Rick Simpson gilt weltweit als Star und Ikone der Hanfszene. Er hat übrigens nichts mit dem gleichnamigen Art Director zu tun, der 1991 einen Oscar für Szenenbilder im Film “Dick Tracy” gewonnen hatte.
Rick Simpson behauptet seit Jahren, seinen eigenen Hautkrebs 2003 nur mithilfe seines eigenen Rezeptes für Cannabisöl geheilt zu haben. In diesem Zusammenhang vermarktet Simpson sein Rezept für “Rick Simpson Oil”, als handle es sich dabei um ein Wundermittel. Er propagiert, wo immer er kann, sein Rick Simpson Öl könne Krebs und andere schwere Erkrankungen heilen. Nicht nur das: Simpson tut jede konventionelle Krebstherapie als unsinnig ab. Damit spricht er vielen krebskranken Menschen, die Angst vor den Folgen von Bestrahlungen und Chemotherapie-Behandlungen haben, aus der Seele. Simpson füllt mittlerweile Messehallen und wird zu Kongressen eingeladen. Er schreibt Bücher zum Thema. Seine Anhängerschaft wächst, zumal Cannabis und THC von vielen nur als Rauschdrogen verteufelt werden.
Nicht verhehlt werden soll, dass Rick Simpson wegen seiner unhaltbaren Behauptungen zum Thema Krebsbehandlung unter Medizinern sehr umstritten ist. Simpson behauptet, er habe seinen Hautkrebs über mehrere Tage äußerlich mit dem selbst hergestellten Rick Simpson Öl behandelt – und der Krebs sei verschwunden. Das stellte für ihn den Anlass her, sein THC Öl als “Rick Simpson Öl” öder “Phoenix Tears” anzupreisen, wo immer er auftauchte. Zunächst stellte Simpson Krebspatienten, die ihn auf seine Heilung ansprachen, seinen Cannabis-Extrakt kostenlos zur Verfügung. Als die Anfragen explodierten, stellte Simpson eine Herstellungsanweisung für Rick Simpson Öl auf seiner Homepage ein.
Wegen seines illegalen Cannabis-Anbaus und des hohen THC-Gehalts von RSO kam Simpson zunehmend in Konflikt mit der örtlichen Polizei. Daher wanderte er 2013 schließlich in die Niederlande aus. Mittlerweile könnte er wieder nach Kanada zurückkehren, weil Cannabis dort legalisiert wurde. Anbau, Konsum und Verkauf von Cannabis sind in Kanada nicht mehr strafbar. Auch wenn Simpson von RSO oft als der “großartigsten Medizin” des Planeten spricht, ist diese Aussage irreführend. Denn Simpson beschreibt sein Rick Simpson Öl erstens als medizinisch potent, und nicht als Rauschdroge. Zweitens sieht er RSO als Therapeutikum gegen jegliche schwere Erkrankung. Simpson propagiert RSO vor allem als heilendes Krebs-Medikament. Drittens stellt Simpson sein Cannabis Öl als harmloses und nicht süchtig machendes Medikament in den Fokus.
Damit wird er zum Hoffnungsträger von verzweifelten Menschen, die an den Folgen von Krebs, Chemotherapien oder Bestrahlungen, aber auch von Multipler Sklerose, Asthma, Diabetes, chronischen Schmerzen, Depressionen, Arthritis, Asthma oder anderen Erkrankungen leiden. Simpsons Aussagen stehen nicht nur medizinischen Erkenntnissen entgegen, sondern werden von Onkologen und anderen Fachärzten auch als geradezu gefährlich angesehen.
Was ist Rick Simpson Öl bzw. RSO?
Rick Simpson Öl ist ein Cannabisöl mit mehr als 90 Prozent THC-Gehalt. Damit ist RSO in Deutschland illegal. Tatsächlich hat Simpson die Rezeptur für Rick Simpson Öl nicht wirklich selbst entwickelt. Ein Mann namens W. B. O’Shaughnessy entwickelte schon um 1830 das Rezept. Rick Simpson ließ es sich allerdings als Eigenerfindung patentieren. Er erwarb damit alle Rechte daran. Auch wenn er am RSO Verkauf selbst nichts verdient, kann Simpson dank seiner wachsenden Anhängerschar durch Vorträge und Bücher vermutlich beträchtliche Einnahmen generieren.
Grundlage der Herstellung von RSO sind abgeerntete Cannabis-Knospen oder -pflanzen. Nach der Ernte werden die THC-haltigen Pflanzenteile in hochprozentigen Alkohol gelegt. Das Harz und die darin enthaltenen Cannabinoide lösen sich im Alkohol. Die Pflanzenteile werden dann ausgesiebt. Das gesamte Prozedere wird mehrfach wiederholt, damit ein wirkungsvoller Extrakt mit hohem THC-Gehalt entsteht. Die weitere Herstellungsweise darf wegen der Entzündlichkeit des Alkohols kein offenes Feuer und keine heiße Herdplatte beinhalten. Das Rick Simpson Öl wird daher immer im Freien hergestellt.
Rick Simpson nutzt einen Reiskocher und einen Ventilator, der die aufsteigenden Alkohol-Dämpfe vertreiben soll. Gerieten diese auf die heiße Herdplatte, würde das eine Explosion auslösen. Allein das weist auf die Gefahren einer Eigenherstellung von RSO hin, abgesehen von deren Strafbarkeit. Simpson geht es darum, durch Hitzezufuhr einen Prozess der Decarboxylierung einzuleiten, der das THC und das CBD aus dem alkoholischen Hanfabsud entstehen lässt. Bisher liegen nur deren Vorstufen THCa und CBDa vor. Als Endergebnis dieses laienhaft durchgeführten Prozesses erhält Simpson ein dickflüssiges, fast schwarzes und bitteres Cannabisöl.
Das Rezept wird heute als RSO vermarktet. Die Dosierung des extrem potenten und hochdosierten Rick Simpson Öls sollte mit Einweg-Spritzen vorgenommen werden. In Holland entwickelte die “Stichting Mediwiet”, eine Cannabis-Klinik, einen “Cannolator Cannabis Extraktor”, der den Herstellungsprozess für RSO vereinfachen soll. Außerdem wird hier empfohlen, dass RSO mit Olivenöl zu verdünnen, um es dosierfähiger zu machen.
Studienlage, fachliche Meinung und Beweise
Gesichert ist, dass derzeit medizinische Studien vorgenommen werden, die die Wirksamkeit von Cannabis-Präparaten mit THC- oder CBD-Gehalt gegenüber bestimmten Krebsarten zum Thema haben. Fakt ist außerdem, dass in einigen Krebs-Kliniken bereits drei zugelassene CBD- und THC-Präparate gegen Krebs eingesetzt werden. Was fehlt, sind aber wissenschaftlich haltbare Langzeitstudien und detaillierte Forschungsergebnisse, die sich auf die Behandlung verschiedener Krebsarten beziehen.
Auch wenn es schon glaubwürdige Hinweise aus diversen Tier- oder Laborstudien gibt, dass CBD und THC bei einigen Krebsarten, oder als Begleittherapie gegen Schmerzen, Übelkeit oder andere Folgen einer Chemotherapie wirksam zu sein scheinen, sind diese Annahmen noch nicht wissenschaftlich verifiziert. Tier- oder Laborstudien genügen nicht, um ein neues Therapeutikum als Krebsmedikament zuzulassen. Zudem zeigt die Pharmaindustrie kein großes Interesse an solchen Präparaten ohne Eigenpatent.
Namhafte Onkologen wie Franjo Grotenhermen sehen das angebliche Wundermittel RSO sehr kritisch. Grotenhermen veröffentlichte einen Brief an Simpson, in dem er diesem überzogene Heilsversprechungen vorwirft, die keiner Überprüfung standhalten könnten. Im Übrigen habe Simpson keine medizinische Vorbildung. Viele der von ihm propagierten “Fakten” seien schlichtweg falsch. So sei THC nicht das einzige krebsrelevante Cannabinoid. CBD sei möglicherweise bei einigen Krebsarten viel wirkungsvoller. Außerdem erweisen sich bei einigen Krebserkrankungen Kombi-Präparate mit THC- und CBD–Gehalt als wirksamer.
Grotenhermen weist Simpson in seinem Brief mehrere Wissenslücken und Irrtümer nach. Der relevanteste Fehlschluss von Simpson sei die Behauptung, konventionelle Krebstherapien seien gefährlich, und daher zu vermeiden. Nach Aussagen von Simpson könne sein Rick Simpson Öl mehr als 70 Prozent der Patienten heilen, die mit schweren Strahlenschäden und Chemotherapie-Folgen zu ihm kämen. Daher lehnt er schulmedizinische Krebstherapien explizit ab. Simpson ruft seine Fans zu entsprechendem Verhalten auf. Dem steht entgegen, dass mittlerweile 55 Prozent der Krebspatienten mit schulmedizinischen Methoden geheilt werden können. Unstrittig ist in Teilen der Schulmedizin, dass Cannabinoide als Begleittherapie oder Kombinationstherapie bei Krebs durchaus hilfreich sein können.
Dennoch ist es notwendig, dass weitere Forschungsprojekte die Wirksamkeit, die Anwendungsgebiete oder sinnvollen Dosierungen für Cannabis-Präparate ermitteln. Bis man genügend wissenschaftliche Erkenntnisse aus Langzeitstudien mit menschlichen Probanden gewonnen hat, werden noch viele Jahre vergehen. Für Rick Simpson Öl als alleinige Krebstherapie sind bisher keinerlei wissenschaftliche Belege zu finden. Anzumerken ist auch, dass die Herstellungsweise von RSO Gefahren birgt. Der Cannabisanbau ist weiterhin in weiten Teilen der Welt illegal. Hygienische Fragen sind zu beantworten. Außerdem ist der von Simpson genutzte Prozess der Decarboxylierung mehr als gefährlich. Zudem liegen bisher keine Erkenntnisse darüber vor, wie das Rick Simpson Öl langfristig wirkt.
Es bleibt abzuwarten, was aus Rick Simpson Öl wird, und welche Relevanz THC oder CBS in der Krebstherapie der Zukunft erhalten werden.